Kids im Blick: Moderne Eye Tracking Methoden in der Kindermarktforschung im Vergleich

Ergebnisse einer experimentellen Studie zeigen, unter welchen Voraussetzungen auch Kindermarktforschung sinnvoll um Eye Tracking ergänzt werden kann.

Eye Tracking ist eine Technologie, die sichtbar macht, wohin eine Person wie lange blickt. In der Kommunikations-, Produkt- oder Konsumentenforschung (also überall dort, wo Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Usability eine Rolle spielen) wird sie – als Ergänzung zu klassischen Befragungen – eingesetzt, um Optimierungsansätze aufzuzeigen. 

Im Kern lassen sich mit Eye Tracking folgende Fragen beantworten: 

  • Was springt spontan ins Auge? Was ist der zentrale Eyecatcher?
  • Wie lange werden bestimmte Bereiche, Objekte oder Elemente betrachtet? Welche werden überflogen und welchen gelingt es, die Aufmerksamkeit zu halten?
  • Wie wird der Blick gelenkt? In welcher Reihenfolge werden Elemente betrachtet? Wie ist der typische Blickverlauf?
  • Welche Bereiche, Objekte, Elemente finden überhaupt keine Beachtung, werden komplett übersehen und gehen unter?

In der Marktforschung mit Erwachsenen hat sich die Technologie längst bewährt und auch in der Kindermarktforschung gewinnt Eye Tracking immer mehr an Bedeutung. Mittlerweile wirbt auch der Marktführer tobii damit, mit Hilfe von Eye Tracking-Lösungen wertvolle Rückschlüsse auf eine Vielzahl von Entwicklungsprozessen bei Kindern ziehen zu können. Zeit, dieses Versprechen zu prüfen und herauszufinden, wie die Technologie auch in der Kids-Forschung sinnvoll eingesetzt werden kann.

Insbesondere das Wissen darum, welche Bereiche keine Beachtung finden, ist bei Marktforschung mit Kindern nützlich

Einerseits dient Eye Tracking der Qualitätssicherung: Denn zu etwas, das man nicht gesehen hat, kann man auch nichts sagen. Werden Kinder zu etwas gefragt, auf das sie keine Antwort wissen, entsteht eine unangenehme Situation, der sie entkommen möchten. Einige beginnen daher aus dem Reflex heraus zu phantasieren. Eye Tracking hilft, diese Phantasieaussagen zu identifizieren und die Auswertungsdaten dahingehend zu bereinigen.

Andererseits unterstützt Eye Tracking bei der Ursachenforschung: Da die Blickverläufe der Kinder auf einem Kontrollmonitor live mitverfolgt werden können, erhalten die Interviewenden nicht nur Einblicke in das, was die Kinder sehen. Sie erhalten ebenfalls Aufschluss darüber, was nicht gesehen wird. Im Gespräch können nicht betrachtete Bereiche noch einmal dargeboten und Gründe wie ‚zu unscheinbar‘, ‚nicht an erwarteter bzw. gelernter Stelle‘ herausgearbeitet werden. Auf diese Weise lassen sich konkrete Hinweise zur Optimierung im Aufbau, bei der Darstellung oder z.B. im Design ableiten.

In einem experimentellen Studiendesign hat das TOGGO-Marktforschungsteam zwei bewährte Eye Tracking-Technologien, Desktop-basiertes Eye Tracking am Monitor und die Eye Tracking-Brille, einem Praxis- und Tauglichkeitstest unterzogen

Es wurden 10 Face to Face-Interviews mit Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren durchgeführt, bei denen beide Technologien im Vergleich zum Einsatz kamen. Untersucht wurden Teile der Website Toggo.de auf dem Desktop-basierten Eye Tracking Monitor, die TOGGO App auf dem Handy und dem Fernseher sowie eine Kinderzeitschrift mit Hilfe der Eye Tracking Brille. Im Anschluss an den Praxistest wurden die Erfahrungen, die die Kinder mit den Technologien gemacht haben, besprochen und hinterfragt.

(Studien-Setup: Eye Tracking am Monitor)

Methodische Learnings aus der TOGGO Kids-Studie – Die Technologien im Härtetest

Die Kalibrierung am Desktop-Monitor verlief problemlos, bei der Eye Tracking-Brille funktionierte es noch etwas schneller, hier ist die Kalibrierung jedoch einmal fehlgeschlagen. Das Tracking selbst verlief sowohl am Desktop-Monitor als auch mit der Brille einwandfrei und der Output wies eine hohe Qualitätsgüte auf.

Am Monitor dargebotene statische Inhalte können mit der Analysesoftware des Eye Trackers weitest-gehend automatisiert ausgewertet werden. Bei Bewegtbild-Content und scrollbaren Inhalten sowie in allen Nutzungssituationen, bei denen die Brille zum Einsatz kommt, ist die Auswertung vergleichs-weise aufwendig. Die erhobenen Daten müssen händisch bzw. qualitativ ausgewertet werden. Hier bedarf es der fachlichen Expertise erfahrener Marktforscherinnen und Marktforscher, um aus den gewonnen Blickdaten wertvolle Erkenntnisse zu ziehen. Da der Anteil an statischem Content zunehmend abnimmt und Mediennutzung immer interaktiver wird, sollte bei Projekten mit Eye Tracking grundsätzlich mehr Analysezeit eingeplant werden – egal, ob Eye Tracking-Brille oder Desktop-Monitor zum Einsatz kommen.

Eye Tracking Brillen sind deutlich besser dazu geeignet, den Mediennutzungsprozess von Kindern realitätsnah abzubilden

Im Internet surfen, Filme schauen, Musik oder Podcasts hören oder Gaming findet heutzutage an mobilen Geräten oder am Fernseher statt und nur selten am PC. Viele Kinder sind es daher nicht bzw. noch nicht gewohnt, Eingabegeräte wie Maus oder Tastatur zu nutzen. Auch die Bedienung interaktiver Medien ist am Desktop nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Testsettings, bei denen Stimulusmaterial am Eye Tracking-Monitor abgebildet wird, spiegeln somit nicht die reale Nutzungssituation wider. Mit der Brille ist Eye Tracking in nahezu jeder Umgebung möglich. Die Einsatzgebiete sind vielfältiger und die Blickbewegungen können bei der habitualisierten Mediennutzung auf einem mobilen Endgerät aufgezeichnet werden. 

In puncto Komfort und User friendliness hat der Desktop-Monitor die Nase vorn

Wenngleich sich die Eye Tracking-Brille durch ein geringes Gewicht auszeichnet und sie dank flexibler Einstellmöglichkeiten individuell angepasst werden kann, empfanden sie die Kinder häufig als „Fremdkörper“. Einige monierten, dass die Brille bei längerem Tragen auf der Nase oder hinter den Ohren drückt. Bei kleineren bzw. jüngeren Kindern ist sie selbst mit dem engsten Nasenaufsatz immer wieder heruntergerutscht. Kindern mit langen Haaren musste ein Zopf gebunden werden. Außerdem sind die Brillen mit einem recht großen und schweren Akku ausgestattet, der an einem Kleidungsstück (am besten an der Hose) befestigt werden muss und während der Eye Tracking Session recht warm wurde. Umstände, die den Tragekomfort einschränken und die Eye Tracking Brille in der Testsituation präsenter machen.
Am Ende gilt es, die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen, um die optimale, zur Beantwortung der Fragestellung geeignete und für zum Stimulusmaterial passende Eye Tracking-Technologien auszuwählen.

Fazit:

Eye Tracking liefert auch bei Kindern wertvolle Einblicke in Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsprozesse und zeigt auf, wie Kinder Medien wirklich nutzen und mit ihnen interagieren. In Kombination mit Beobachtung und (vertiefender) Befragung helfen die so gewonnenen Ergebnisse dabei, Webseiten, Apps, Spiele, werbliche Inhalte etc. optimal auf die Bedürfnisse der jungen Zielgruppe zuzuschneiden.

Die eingesetzte Technologie sollte sich am Testmaterial und an der zu beantwortenden Fragestellung orientieren. Bei Inhalten wie Werbespots, Anzeigen, Zeitschriftencovern oder ähnlichem, die passiv und ohne Interaktion konsumiert werden können, ist Desktop-basiertes Eye Tracking am Monitor der Brille vorzuziehen. Für Testmaterial, das interaktiv bedient werden muss (z.B. Apps oder Games), Bewegung und ein mobiles Setting außerhalb des Teststudios erfordert (an der Bushaltestelle, am POS etc.) oder haptisch exploriert werden muss (z.B. Unboxing-Tests), ist die Eye Tracking Brille besser geeignet. Einschränkung: Aufgrund der Anatomie der Kinder ist Eye Tracking mit Brille erst ab 8 Jahren problemlos möglich, Desktop-basiertes Eye Tracking schon ab 6 Jahren.

Die Key Insights auf einen Blick – Desktop-basiertes Eye Tracking und Eye Tracking-Brille im Vergleich:

Meike Braden
„Geht nicht, gibt’s nicht!“

meike.braden@liketoknow.de
+49 221 456-67412

Meike Braden ist Expert Research Consultant bei like to KNOW. Nach ihrem BWL-Studium startete sie 2003 als Projektleiterin bei mediascore, der Gesellschaft für Medien- und Kommunikationsforschung GmbH und hat nationale wie internationale Kunden aus unterschiedlichsten Bereichen zu Kommunikationsforschung und UX & Usability-Research betreut.

Meike ist neugierig, mag Zahlen und Daten und verfügt über qualitative, quantitative und apparative Marktforschungskenntnisse. Sie lebt mit ihrem Mann in Köln. In ihrer Freizeit ist sie gerne aktiv. Sie mag jegliche Art von Action, geht gerne auf Reisen und liebt es, die Welt sowohl über als auch unter Wasser beim Tauchen zu entdecken.

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